Rauchverbote, Asketen und die Hexenjagd auf Raucher
Angesichts der "drohenden" Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden und der Gastronomie
liegen die Nerven einiger Zeitgenossen blank, und sie sehen sich veranlasst,
"zu retten,
was noch zu retten ist" - und das mit nicht gerade zimperlichen Formulierungen.
Bedauerlicherweise scheinen gerade diese Wortakrobaten einen guten Draht zur Presse
zu haben, sodass ihre einseitigen Pamphlete als Ruf wie Donnerhall erscheinen, während
Erwiderungen maximal die Chance haben, in die Ecke für Leserbriefe aufgenommen
zu werden.
Ein wenig frappierend ist es schon, welchen Vorwürfen man sich als
Nichtraucher da ausgesetzt sieht: ein Gesundheitsapostel soll man
angeblich sein, ein Asket und Genussfeind, ja sogar ein Hexenjäger, dessen
Hobby die unentwegte Diskriminierung der verhassten Raucher ist, und in
Personalunion obendrein auch noch ein Gutmensch.
Imre von der Heydt beispielsweise bemüht sich einfrig, das Rauchen
dann gleich noch mit Hilfe erstaunlichster Verknüpfungen auf ein Ehrenpodest
zu stellen: es wird mit kulturpolitischen und kulturphilosophischen Dimensionen
geschmückt, seine Würde und Lustbereitung wird beschworen, und bei Sartre werden
sogar erkenntnistheoretische Aspekte des Rauchens hervorgekramt. Auch
Klaus Priesucha wittert eine Hexenjagd wider den Rauchgenuss und sieht das
Leben ohne Nikotin ganz klar als Leben, das von allen Schrägheiten und Ungereimtheiten, auch
Fehlsamkeiten gereinigt ist und von daher menschenfeindlicher kaum sein kann.
All dem setzt Jürgen Roth noch die Krone auf, indem er mit Wortschöpfungen
wie "durchgeknallte, komplett irre [...] Gans" oder "weggetretene Glanzbombe"
den Beweis für die Kreativität fördernde Wirkung des Rauchens anzutreten versucht.
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Auch ein Nichtraucher
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Kaum kann man sich als Nichtraucher eines schlechten Gewissens erwehren, denn
während das wahre Leben an einem vorbei geht, bremst man auch noch den
kulturellen und philosophischen Fortschritt. Da zählt nicht, dass weder der
Erfinder des Rades noch die Erbauer der Sieben Weltwunder den Takak kannten
und dass sämtliche großen Köpfe von Thales bis da Vinci Nichtraucher waren.
Nein - vielmehr muss man sich wundern, dass Christoph Columbus immer nur als
Entdecker Amerikas gerühmt wird, während doch seine allergrößter Verdienst
die Entdeckung des Tabaks war, den er nach Europa brachte und durch dessen
Konsum sich Kultur und Philosophie zu nie dagewesenen Höhen aufschwangen. Und
nicht zuletzt der Genuss. Zwar waren es Nichtraucher gewesen, die den Met,
den Wein und das Bier entwickelt hatten - aber all diese Genüsse wurden vom
Tabak weit in den Schatten gestellt. Ganz offensichtlich hat allein der
Raucher das beneidenswerte Privileg, sich "Genussmensch" betiteln zu dürfen.
Hingegen stehen Nichtraucher als armselige Asketen da, die ihre Gesundheit
als allerhöchstes Gut anbeten und die tief in ihrem vergrämten Herzen
eigentlich allzu gern mal eine rauchen würden, wenn es doch bloß nicht so
grässlich ungesund und sündhaft wäre.
Angesichts dieser Phalanx von Argumenten zugunsten des Tabakkonsums wagt man
kaum noch, Widerstand und Widerspruch zu leisten. Aber dieses
zusammenkonstruierte Zerrbild eines Nichtrauchers kann so nicht stehen
gelassen werden.
Zuallererst einmal sind Nichtraucher mindestens genau so Genussmenschen, wie
Raucher es sind bzw. sein möchten. Auch sie gehen gern mal in nobele
Restaurants und bestellen kunstvolle Gerichte mit erlesenem Wein - nur dass sie
sich diesen Köstlichkeiten widmen möchten, ohne dass der genussfeindliche
Tabakrauch vom Nebentisch sie dabei stört.
Ebenso gibt es reichlich Nichtraucher, die gern mal einen trinken (auch ein
raffinierter Cocktail schmeckt besser ohne Qualm), Spaß an riskanten
Sportarten haben oder sonstwie mal richtig "die Sau rauslassen". Nein,
Gesundheitsapostel und Askten sind das bestimmt nicht. Es geht ihnen einfach
nur um den Gestank, als den sie Tabakrauch empfinden. Und das sollte
eigentlich vollauf genügen, um Verbote zu rechtfertigen, auch ohne dass man
Gesundheitsgefahren anführen muss. Dies zeigt auch folgendes schöne Beispiel
aus Südostasien:
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Verbot der Stinkfrucht
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Die "Durian" -
auch "Stinkfrucht" genannt - ist eine knapp kopfgroße Frucht, unter deren
höckriger Schale sich gelbes Fruchtfleisch verbirgt, das viele Menschen als
größte Delikatesse schätzen und das von der übrigen Bevölkerung wegen des
eigentümlichen, penetranten Geruchs verabscheut wird. Aus diesem Grund
herrscht in öffentlichen Verkehrsmitteln und in vielen Hotels ein striktes
Durian-Verbot. Der Geruch der Durian ist ganz bestimmt nicht
gesundheitsschädlich, aber er setzt sich ebenso hartnäckig fest wie
Tabakrauch. Deshalb müssen Hotelgäste, die trotz Verbots in ihrem Zimmer
Durian gegessen haben, den Übernachtungspreis für eine ganze zusätzliche
Woche bezahlen, weil man das Zimmer erst nach dieser Wartezeit wieder einem
neuen Gast zumuten kann.
Und was für die Durian recht ist, sollte für Tabakrauch sicherlich billig
sein. Ja, sogar viele Raucher teilen diese Meinung und befürworten deshalb
Maßnahmen, die eine rauchfreie Gastronomie zum Ziel haben. Schon daran kann
man sehen, dass Rauchverbote keine Hexenjagd darstellen und keine
Diskriminierung. Die Botschaft lautet ja nicht "nur ein toter Raucher ist ein
guter Raucher", sondern "wenn du rauchen willst, dann bitte nicht hier". Sie
richtet sich also nicht gegen die Raucher, sondern nur gegen den Rauch.
Schließlich sind Raucher wie schon seit eh und je überall gern gesehen: in
Kaufhäusern, Museen und Bibliotheken, in der Straßenbahn und auf
Nichtraucherflügen - nur dass sie dort eben mal nicht rauchen dürfen. Diese
längst zur Selbstverständlichkeit zählenden Rauchverbote werden nun auch auf
die Gastronomie ausgedehnt.
Der echte Genussraucher, der den ganzen Tag nicht zu rauchen braucht und sich
abends vor dem Fernseher mal ein gemütliches Pfeifchen anzündet, sieht die
Rauchverbote deshalb mit jener Gelassenheit, die immer so gern als typische
Rauchereigenschaft in Anspruch genommen wird und gleichwohl so selten
geworden ist. Ihm mag man noch die längst vergangene Würde zugestehen, mit
der die Indianer einst die Friedenspfeife rauchten. Jedoch angesichts der
überwiegenden Mehrzahl von Rauchern, die auf dem Balkon selbst bei Wind und
Wetter hastig eine Kippe durchziehen, wird man sich doch wohl noch Gedanken
machen dürfen, wo Genuss aufhört und Unfreiheit anfängt.
Paul Lenz
Links zum Thema:
Rauchverbot - "niente problema" (Merkur online)
Die diskrete Lobby der Raucher (Die Süddeutsche über DEHOGA und Tabakkonzerne)
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