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Manipulation → Verharmlosung
Verharmlosung der Gefahren durch Passivrauchen
1.) Philip Morris unterschlägt Forschungsergebnisse
Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland hält der
Tabakkonzern Philip Morris Forschungsergebnisse geheim.
So berichtete ein ehemaliger Mitarbeiter von Philip
Morris dem geschäftsführenden
Vize-Präsidenten der Nichtraucher-Initiative
Deutschland, Ernst-Günther Krause, über
Untersuchungen, deren Ergebnisse so brisant waren, dass sie
auf Anweisung der Geschäftsleitung in der Schublade
verschwinden mussten. Der Vorgang spielte sich
folgendermaßen ab:
Ein Laborant durchforschte die Literatur über die Entstehung
von Krebs. Dabei entwickelte er eine Hypothese, die er durch eine
Untersuchung bestätigen wollte. Er bat seinen Chef, ihm die
dazu nötigen Mittel zu genehmigen, was dieser auch tat, weil
er den Laboranten als fähigen Kopf schätzte.
Die Untersuchung an rund 10.000 Versuchstieren bestätigte
die Hypothese, wonach ein bestimmter Stoff, der vor allem im
Tabakrauch vorhanden ist, für die Krebsentwicklung besonders
verantwortlich sei. Außerdem konnte der Laborant mit seiner
Untersuchung auch noch bestimmte für das Verständnis
über die Krebsentstehung wichtige Stoffwechselvorgänge
entschleiern.
Der Chef bezweifelte zwar das Ergebnis, setzte jedoch eine Gruppe
von Wissenschaftlern ein mit dem Auftrag, das obige
Untersuchungsergebnis zu überprüfen. Die Studie an
weiteren rund 10.000 Versuchstieren bestätigte das Ergebnis
der Untersuchung des Laboranten. Trotzdem traute man dem Resultat
noch nicht so recht und ließ die Hypothese noch ein drittes
Mal (ebenfalls durch einen Test an rund 10.000 Versuchstieren)
von einem Wissenschaftlerteam verifizieren. Am Ergebnis
änderte sich nichts.
Philip Morris steckte nun in einem Dilemma. Eigene
Wissenschaftler hatten herausgefunden, dass ein bestimmter
Stoff im Tabakrauch ihrer Produkte in hohem Maße für
die Entstehung von Krebs verantwortlich ist. Eine
Veröffentlichung hätte zwar die wissenschaftliche
Forschung über die Krebsentwicklung einen deutlichen Schritt
nach vorn gebracht, gleichzeitig aber einen negativen
Einfluss auf den Umsatz aus dem Verkauf von Tabakprodukten
bewirkt. Man entschloss sich, alles in der Schublade
verschwinden zu lassen. Für ihren Profit gehen die
Verantwortlichen von Philip Morris - wie nicht anders zu
erwarten - über Leichen.
NID e.V.
2.) Geheime Dokumente stellen Zigarettenhersteller bloß
Die US-Nichtraucher-Organisation Action on Smoking and Health
(ASH) hat der Food and Drug Administration (oberste
Bundesbehörde für Lebens-und Arzneimittel) bisher
geheime Dokumente der Tabakindustrie vorgelegt, die den Nachweis
erbringen, dass die Tabakindustrie
- schon seit langem die suchterzeugenden Wirkungen des Nikotins kennt;
- mit Nikotin als suchterzeugender Droge experimentiert hat;
- behinderte Kinder als mögliche Kunden anvisiert hat, um sie
nikotinabhängig zu machen;
- Nikotin als suchterzeugend und Zigaretten als Vehikel zum
Abhängigmachen ansieht;
- Marketingstrategien, Markennamen und Verpackungen eigens für
Jugendliche schuf;
- ihre Theorien über Nikotinabhängigkeit tatsächlich
systematisch in die Praxis umsetzte.
Bei der Vorlage der Dokomente betonte ASH, dass es
sehr wichtig sei, der Food and Drug Administration ein
möglichst vollständiges Bild der Zigarettenhersteller
zu verschaffen, obgleich diese ständig versuchten, ihre
dunkelste Seite zu verheimlichen.
Smoking and Health Review 11/95
3.) Wie Studienergebnisse verfälscht werden
Nach Meinung der Zigarettenindustrie geht vom Passivrauchen keine
erwähnenswerte Gesundheitsgefährdung aus. Um ihre
Überzeugung auch vor amerikanischen Gerichten belegen zu können,
beauftragte ein Zusammenschluss der Hersteller zwei Wissenschaftler
mit der Analyse jener Daten, die Anfang der achtziger Jahre von der
American Cancer Society (Amerikanische Krebsgesellschaft) im Zuge
der Current Population Survey (CPS) zusammengetragen worden
waren.
Die mit der Erforschung und Bekämpfung von Krebserkrankungen
befasste nationale Organisation hatte im Jahr 1982 nahezu eine
halbe Million Nichtraucher detailliert nach ihren persönlichen
Lebensumständen befragt. Unter anderem wurde auch die Frage gestellt,
ob sie in ihrer Wohnung regelmäßig mit Tabakrauch konfrontiert
werden. Im Verlauf der folgenden sieben Jahre starben von diesen
Nichtrauchern 4.911 Frauen und 3.251 Männer an den Folgen einer
Herzkrankheit.
1995 veröffentlichten die beiden Forscher ihre Daten in einem
toxikologischen Fachblatt. Dabei kamen sie zum Schluss, dass
zwischen Passivrauchen und einem vorzeitigen Herztod keinerlei
ursächliche Zusammenhänge bestehen. Dadurch sahen sich die
Vertreter der Zigarettenindustrie in ihrer Annahme bestätigt,
dass die bisher vorgelegten Studien häufig durch Vorurteile
der Wissenschaftler und Gesundheitsorganisationen zum Nachteil der
Tabakproduzenten verfälscht worden seien.
Diesen harschen Vorwurf wollte wiederum die American Cancer Society
nicht auf sich sitzen lassen und veranlasste eine Gegenanalyse der
umfangreichen CPS-Daten durch Wissenschaftler des National Institute for
Occupational Safety and Health, einem Bundesinstitut, das sich mit
Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin beschäftigt. In der jetzt im
Fachblatt Circulation veröffentlichten Studie kommen Kyle
Steenland und seine Mitarbeiter zu dem Schluss, dass die
Analyse der von der Zigarettenindustrie beauftragten Spezialisten die
Gefahr des Passivrauchens unzulässigerweise verharmlost. Nach erneuter
Auswertung der CPS-Daten haben Frauen, die mit einem zu Hause rauchenden
Partner zusammenleben, ein um 19 Prozent erhöhtes Herztodrisiko. Bei
den rauchabstinenten Ehemännern erhöhte sich dieses Risiko sogar
um 23 Prozent.
Werden die Menschen an ihrem Arbeitsplatz zum Passivrauchen gezwungen,
so kann sich dieses Risiko aufgrund der größeren
Schadstoffkonzentrationen sogar noch weiter erhöhen. Für die USA
schätzten die Autoren der Studie, dass jährlich etwa 40.000
bis 45.000 vermeidbare Todesfälle auf das Konto des Passivrauchens
gehen. Diese Daten decken sich mit einer Untersuchung der American
Heart Association aus dem Jahr 1992.
In dieser schätzten die beteiligten Arbeitsmediziner, dass
in den USA jährlich etwa 35.000 bis 40.000 passive Mitraucher an
eigentlich vermeidbaren Herzkrankheiten beziehungsweise 3.000 bis 5.000
an Lungenkrebs sterben müssen. In den vergangenen Jahren wurden
insgesamt 14 wissenschaftliche Studien in angesehenen Fachblättern
veröffentlicht, die nahezu übereinstimmend belegten, dass
Passivrauchen weit mehr ist als eine unangenehme Belästigung der
Nichtraucher durch ihre rauchenden Mitbürger.
Um bestehende Unklarheiten zu beseitigen, gehen die Autoren um
Steenland auch auf die Frage ein, auf welche Weise die
unterschiedlichen Aussagen zusammengekommen sein könnten:
Die von der Industrie beauftragten Forscher hatten in ihren Auswertungen
beispielsweise auch alle Menschen eingegliedert, die in ihrem Leben
irgendwann einmal passiv mitrauchen mussten. Es war also
überhaupt nicht klar, ob sie denn zum Zeitpunkt des Studienbeginns mit
jemand zusammen lebten, der regelmäßig raucht. Steenland
beschränkte sich dagegen auf jene Nichtraucher, die zum Zeitpunkt der
Untersuchung, also 1982, einen rauchenden Partner hatten. Außerdem
verwertete er nicht alle Angaben, sondern nur Aussagen, in denen beide
Partner übereinstimmten. Dadurch sind seine Daten wissenschaftlich
weitaus glaubwürdiger als die seiner Konkurrenten.
Alleine mit diesen beiden statistischen Kunstgriffen gelang es den
Datenauswertern der Zigarettenindustrie, zusätzlich 18.000
Frauen und 2.000 Männer einzugliedern, die während des
Untersuchungszeitraums ab 1982 wahrscheinlich nicht mehr gefährdet
waren. Denn möglicherweise lebten sie gar nicht mehr mit einem
rauchenden Partner zusammen. Und aus diversen Studien an aktiven Rauchern
weiß man, dass die Gefährdung rasch absinkt, wenn man das
Rauchen aufgibt. Das gleiche gilt natürlich auch für passive
Mitraucher, die sich nicht mehr dem gesundheitsschädlichen blauen
Dunst aussetzen müssen.
In einem Kommentar bestätigten zwei an der Studie nicht beteiligte
Experten, Stanton A. Glantz und William W. Parmley von der
University of California in San Francisco, das fragwürdige
methodische Vorgehen der von der Industrie beauftragten Forscher. Sie
gehen sogar davon aus, dass die tatsächliche Gefährdung
der nichtrauchenden Partner noch höher einzustufen sei, als
Steenland denkt.
Dieser hatte zwar im Unterschied zur anderen Untersuchung nur diejenigen
Menschen erfasst, deren Partner zu Beginn der Studie in der
häuslichen Umgebung rauchten. Später wurde aber nicht mehr
überprüft, ob die Raucher ihrem Laser auch bis zum Jahr 1989
treu geblieben waren. Daher sei davon auszugehen, so die Kommentatoren,
dass viele Raucher im Verlauf der sieben Jahre das Rauchen aufgegeben
haben. Dies hätte aber bei den betroffenen nichtrauchenden Partnern
schnell zu einer Normalisierung des Herztodrisikosgeführt.
Die Welt vom 17.8.96
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