Alles über das Rauchen →
Manipulation → Fehlinformation
Fehlinformationen durch Anzeigenkampagnen
1.) Anzeigen-Kampagne von Philip Morris
In einer einzigartigen europaweiten Anzeigenkampagne wollte das
europäische Tabaksyndikat Philip Morris Europe
S.A. den Anschein erwecken, dass Passivrauchen kein
Gesundheitsrisiko darstellt. Mit absurden Vergleichen von Risiken
(z.B. Kochen mit Rapsöl, Verzehr von Keksen oder Pfeffer),
die teilweise nur in einer einzigen Studie ermittelt worden sind
und dann auch nur für einen einzigen der im jeweiligen
Produkt enthaltenen Stoffe, versuchten die Drogenhersteller von
der Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens abzulenken.
Nach dem Motto, dass schon etwas hängenbleiben wird,
führen sie einen der niedrigsten ermittelten Werte für
das Lungenkrebsrisiko durch Passivrauchen von 1,19 (der Wert 1,0
gilt für Nichtpassivraucher) an und verschweigen
bewusst Ergebnisse von inzwischen mehr als 30
wissenschaftlichen Studien, die ein deutlich höheres Risiko
für Passivraucher (bis über 2) feststellten. Das
Deutsche Krebsforschungszentrum geht beispielsweise von einem
Lungenkrebsrisiko von 1,4 für Passivraucher und mindestens
400 Lungenkrebstodesfällen bei Nichtrauchern pro Jahr in Deutschland aus.
Die meisten Raucher sterben jedoch nicht an Lungenkrebs, sondern
vor allem an Herz-Kreislauf-Krankheiten (bevor der Lungenkrebs
auftritt). Dies gilt auch für Passivraucher. Verschiedene
Studien gehen von einem mindestens dreifach höheren Risiko
für Herz-Kreislauf-Krankheiten durch Passivrauchen aus. Doch
wie hoch das Risiko auch immer ist: Man kann nicht ein Risiko mit
einem anderen Risiko entschuldigen.
Entscheidend ist jedoch, dass das Passivrauchen in der Regel
unfreiwillig erfolgt. Würde man die Maßstäbe, die
bei den EU-Entscheidungen zum Rinderwahnsinn angelegt wurden,
auch beim Passivrauchen anwenden, müssten sofort alle
Tabakwaren vernichtet und ein totales Importverbot für
Tabakprodukte verhängt werden.
Der französische Kekshersteller-Verband ließ Philip
Morris mittels einstweiliger Verfügung die Verbreitung
untersagen, der Verzehr von einem Keks am Tag würde mit
einem erhöhten Risiko für Herzkrankheiten von 1,49
einhergehen. In der Tat ermittelten die Wissenschaftler der von
Philip Morris zitierten Keks-Studie, dass ein
erhöhtes Risiko von Herzkrankheiten in diesen
Nahrungsmitteln vorwiegend auf verwendete Trans-Fettsäuren
zurückzuführen sei. Auf diese spezielle Fettart, so
Walter Willet von der Harvard Universität in Boston,
ein Mitautor der Keks-Studie, hätten die europäischen
Nahrungsmittelhersteller inzwischen verzichtet.
In den Niederlanden einigte man sich außergerichtlich
darauf, dass die Anzeigen nicht mehr erscheinen. Und in
Deutschland prüfen Kekshersteller wie Bahlsen derzeit
eine Klage gegen Philip Morris. Während man im
Bundesgesundheitsministerium auf die Anzeigen bisher lediglich
"aufmerksam geworden ist" (was wieder einmal verdeutlicht,
dass dem Ministerium - gelinde gesagt - der
Nichtraucherschutz völlig gleichgültig ist), will die
Koalition gegen das Rauchen mangels anderer rechtlicher
Möglichkeiten den Deutschen Werberat einschalten.
Die europaweite Anzeigenserie des Marlboro-Produzenten
Philip Morris zeigt, dass die Drogenhersteller durch
einen gesetzlichen Nichtraucherschutz erhebliche
Umsatzeinbußen befürchten. Um dem entgegenzuwirken ist
ihnen jedes Mittel recht. Für Profit geht Philip
Morris über Leichen - über die der (Aktiv-)Raucher
und die der Passivraucher.
2. Robert-Koch-Institut zur Philip Morris-Kampagne
In der Pressemitteilung vom 11. Juli 1996 nimmt das Robert
Koch-Institut (früher Teil des Bundesgesundheitsamtes) zur
Anzeigenkampagne des Tabakkonzerns Philip Morris zum
Gesundheitsrisiko des Passivrauchens (vgl. hierzu Titelgeschichte im
Nichtraucher-Info Nr. 23 - 7/96) Stellung:
Das Robert Koch-Institut warnt davor, die Gefahren des
Passivrauchens zu unterschätzen. Auch wer selbst nicht raucht, hat
bei regelmäßigem Einatmen des sogenannten Nebenstromrauches
ein erhöhtes Risiko, Herzkrankheiten oder Lungenkrebs zu bekommen.
So hat die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA Tabakrauch in der
Innenraumluft als krebserregenden Stoff der (höchsten) Gruppe A
eingestuft; das bedeutet, dass die EPA einen ursächlichen
Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Lungenkrebs für belegt
hält. Das Passivrauchen ist in Deutschland die häufigste Form
von Luftverschmutzung in Innenräumen und betrifft etwa ein Drittel
der Erwachsenen und jedes zweite Kind.
Seit einigen Wochen erscheinen in deutschen Zeitung und Zeitschriften
Anzeigen, in denen suggeriert wird, das Gesundheitsrisiko durch
Passivrauchen sei nicht höher, als wenn man Vollmilch oder gechlortes
Leitungswasser trinkt, Kekse isst, sein Essen mit viel Pfeffer
würzt oder sich von Fleisch ernährt. Als
"Beweis" werden wissenschaftliche Studien zitiert, die für
diese Verzehrgewohnheiten ein ähnliches oder sogar höheres
Gesundheitsrisiko als für Passivrauchen ausweisen.
Diese Argumentation ist grob irreführend. So liegen für
fast alle der aufgeführten "Vergleichsrisiken" nur einzelne
Untersuchungsergebnisse vor, was für eine echte Beurteilung des
Risikos nicht ausreicht. Dagegen hat die EPA für ihre Bewertung des
Passivrauchens die Ergebnisse von insgesamt 150 Studien herangezogen,
davon allein 30 zum Lungenkrebs.
Wichtige Ergebnisse, die die Studienergebnisse beeinflussen können,
wurden von der EPA mit einbezogen, in den zum Vergleich angeführten
Studien aber entweder überhaupt nicht berücksichtigt oder in den
Anzeigen unterschlagen. Ein Beispiel: In einer Studie wurde untersucht, wie
sich die Ernährung - vegetarisch oder fleischhaltig -auf das Risiko
einer koronaren Herzkrankheit auswirkt. Bei fleischessenden Männern
zwischen 35 und 64 Jahren - und nur dieses Zwischenergebnis wird in der
Anzeige verwendet - ergab sich ein dreimal höheres Herzinfarktrisiko;
allerdings nur, wenn der Einfluss des Rauchens nicht
berücksichtigt wurde. Bei Betrachtung von Herzkrankheiten, für
die Rauchen einer der wichtigsten Risikofaktoren ist, ist das ein
gravierender Fehler. Berücksichtigt man den Einfluss des
Rauchens, ergibt sich dann auch ein deutlich niedrigeres, etwa 1,5faches
Risiko für Fleischesser. Dies ist in der Studie auch angegeben, wird
in den Anzeigen aber ignoriert. Es stellt sich die Frage, wie das Ergebnis
aussähe, würden weitere Risikofaktoren für den Herzinfarkt
ebenfalls einbezogen. Bei Frauen zeigte die Studie übrigens keinen
Unterschied zwischen Fleischkonsumentinnen und Vegetarierinnen.
Die Argumentation, die die gesundheitliche Unbedenklichkeit des
Passivrauchens unterstellt, führt zudem Risiken an, die sich schon bei
Betrachtung der fraglichen Studien schnell als nicht plausibel erweisen.
Sogar Studienergebnisse, die die Untersucher selbst ausdrücklich als
fragwürdig bezeichnen, werden für die Beweisführung
herangezogen. Der Zusammenhang zwischen Passivrauchen einerseits,
Herzkrankheiten und Lungenkrebs andererseits ist dagegen auch biologisch
plausibel.
Das Robert Koch-Institut ist der Auffassung, dass Vergleiche,
wie sie in den betreffenden Anzeigen gezogen werden, den Verbraucher in die
Irre führen. Dass Passivrauchen ein ernstzunehmendes
Gesundheitsrisiko darstellt, ist wissenschaftlich belegt - nicht aber
etwaige Risiken durch Kekse oder Vollmilch.
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