Der Tabakkonzern Philip Morris hat sich schon 1981 Sorgen um den
Verlust an jugendlichen Rauchern gemacht. In einem Protokoll, das
kürzlich vom US-Fernsehsender NBC, New York, veröffentlicht
wurde, hatten führende Männer von Philip Morris damals
geschrieben: "Wegen unseres hohen Anteils am Markt der
jungen Raucher würden wir mehr als andere Zigarettenhersteller
unter einer Verringerung der Zahl der rauchenden Teenager leiden."
In der für den seinerzeitigen Vizepräsidenten von Philip
Morris bestimmten Denkschrift werden Teenager "das Potential
normaler Kunden von morgen" genannt. Als Ursache der Abnahme
des Rauchens unter Jugendlichen werden die Verringerung des
Teenager-Anteils innerhalb der Gesamtbevölkerung ab 1985 und
eine Veränderung der Rauchgewohnheiten bei Zwölfjährigen genannt.
In dem Protokoll heißt es außerdem: "Es ist
für uns wichtig, so viel wie möglich über das Rauchen
von Teenagern und ihre Gewohnheiten zu wissen." NBC
veröffentlichte die Denkschrift, nachdem Philip Morris in diesem
Jahr Millionen von Dollars für eine Kampagne aufgewandt hatte,
die Kinder vor dem Rauchen warnen sollte [die berüchtigte
"Cool Kids Can Wait"-Kampagne Webmaster ]. Bereits im April
hatte eine Nichtraucher-Organisation eine ähnliche Denkschrift von
Philip Morris veröffentlicht, in der nach Möglichkeiten einer
Erforschung des Rauchbeginns von Jugendlichen und ihrer Markenwahl gesucht
wurde.
3.) Neue amerikanische Studien: Werbung verführt zum Rauchen
Werbung für Zigaretten kann junge Menschen dazu bewegen, mit dem
Rauchen anzufangen - so das Ergebnis neuerer amerikanischer Studien
(Science, Bd. 270, S. 573, 1995). Dies widerspricht eindeutig der
Behauptung der Tabaklobby, Reklame diene nur dazu, erwachsene Raucher zum
Markenwechsel zu bewegen.
In einer von mehreren Untersuchungen hat der Verhaltensepidemiologe
John Pierce von der Universität von Kalifornien in San Diego
vier Werbekampagnen für das Rauchen aus den letzten Jahrzehnten mit
dem Rauchverhalten bei 14- bis 17jährigen verglichen. Jugendliche
haben nach Angaben des Wissenschaftlers in der Zeitschrift Health
Psychology dann verstärkt mit dem Rauchen begonnen, wenn die
Reklame eindeutig auf geschlechtsabhängiges Verhalten zielte. So hat
eine Firma zum Beispiel bereits Mitte der 20er Jahre gezielt Frauen
angesprochen, die ihre Zigarette an Stelle von Süßigkeiten
konsumieren sollten; heranwachsende Mädchen rauchten im zeitlichen
Zusammenhang damit deutlich häufiger, während dieser Effekt bei
Knaben nicht eintrat.
Seine zweite Studie hat Pierce im Journal of the National Cancer
Institute publiziert. Darin geht es um den Einfluss von "Peers",
also von Anführern innerhalb einer Gruppe. Bei Jugendlichen
können dies etwa besonders angesehene Klassenkameraden, aber auch
Erwachsene sein. Der Wissenschaftler hat Zusammenhänge zwischen
Peers, Werbung und Verhalten mit Hilfe von 356 Interviews mit
Heranwachsenden untersucht.
An Hand einer Reihe von Fragen hat Pierce die jungen Menschen
zunächst in Gruppen aufgeteilt, je nach ihrer Empfänglichkeit
für Reklame. Zu den Ergebnissen der Studie gehört es, dass
zwar das "Vorbild" von rauchenden Erwachsenen oder gleichaltrigen
Jugendlichen doppelt so anfällig dafür macht, mit dem Rauchen
anzufangen. Aber selbst wenn diese "Peer"-Funktion statistisch
herausgerechnet wird, rauchen als "werbeempfänglich" Eingestufte
zwei bis viermal soviel wie ihre Altersgenossen, die sich wenig aus
Reklame machen. Auf Grund dieser und einer dritten, noch nicht
veröffentlichten Untersuchung von Pierce kommt die Zeitschrift
des amerikanischen Krebsforschungsinstitutes zu dem Schluss,
dass Werbung einen noch stärkeren Einfluss auf den
"Einstieg" ins Rauchen hat als lebende "Vorbilder".
Diese wissenschaftlichen Untersuchungen werden zu einem Zeitpunkt publik,
da in Amerika das Thema "Rauchen und Jugend" heftiger als je zuvor
diskutiert wird. Anlass ist ein Sonderheft der führenden
medizinischen Fachzeitschrift Journal of the American Medical
Association vom 19. Juli dieses Jahres. Darin wurden "Geheimdokumente"
großer Tabakkonzerne veröffentlicht, die seit Jahren
darüber geforscht haben, dass Nikotin abhängig mache. Das
Suchtpotential hat die American Medical Association, vor allem aber
auch die Lebens- und Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA dazu bewogen,
Zigaretten zum "Drogen-Vehikel" zu erklären.
Auf die neuen Studien hin hat die amerikanische Tabakindustrie die Aussage
von Pierce, wonach die Werbung das Risiko verdoppelt, dass
Jugendliche zur Zigarette greifen, als nicht objektiv bezeichnet.
Science hat einige unabhängige Experten die
Pierce-Studien begutachten lassen. Die Reaktionen seien
unterschiedlich gewesen, in der Mehrzahl aber zustimmend, heißt es
in dem Fachjournal. Auch jene Experten, die methodische Mängel
beklagten, meinten, die Ergebnisse reichten aus, um Maßnahmen
gegen Zigarettenwerbung zu rechtfertigen.
Süddeutsche Zeitung vom 23.11.95
↑
4.) Aus "The Human Costs of Tobacco Use"
Auch was die Werbungskosten angeht, liegt Philip Morris USA-weit an erster
Stelle (2 Milliarden Dollar 1989). Bei der Übertragung des 1989
Marlboro Grand Prix wurde der Name Marlboro elfmal genannt, das Logo wurde
5922 Mal gezeigt in insgesamt 46 Minuten!! Besonders Jugendliche werden
vermehrt beworben (aus naheliegenden Gründen, wie oben dargelegt).
Vor allem die Camel-Werbung (mit "Old Joe Camel") spricht
Teenager in besonderem Maße an. In Amerika waren gleich viele
Sechsjährige in der Lage, Old Joe Camel einer Packung Zigaretten
zuzuordnen, wie Mickymaus dem Disney-Logo. Dies hatte zur Folge, dass
von 1988 bis 1990 der Camel-Marktanteil bei Unter-18jährigen von 0,5%
auf 32% stieg. Der Verkaufserlös für Camels stieg im gleichen
Zeitraum in derselben Altersgruppe von 6 Millionen US$ auf 476 Millionen
US$ (ein Viertel des Gesamterlöses und ein Drittel des
Schwarzmarkterlöses).
Quelle: (Usenet)
Empfänger: /zer/z-netz/gesundheit/allgemein
Absender : pietzcke@mibm.ruf.uni-freiburg.de (Tim Pietzcker)
Betreff : Rauchen - Artikel im NEJM!
Datum : Fr 27.01.95, 09:12
↑
5.) Wie Werbung funktioniert
[...] So wie bei der Zigarettenreklame mit dem Slogan "Ich rauche
gern" dem Wahrnehmenden die Chance genommen ist, zwischen Botschaft
und eigener Meinung zu unterscheiden - im Lesen des Slogans entfaltet sich
seine suggestive Wirkung: muss das lesende Ich gegen das gelesene
"Ich" Argumente der Abwehr entwickeln - so nimmt man auch dieses
Bild nicht als Voyeurist, sondern als Beteiligter, als Ausübender
wahr; und eben darin, in der Überspringung der ästhetischen
Grenze, ist seine erste Schockwirkung begründet. [...]
Aus
http://www.hagen.de/KEOM/ARTISTS/DuiSeid.html (leider nicht mehr vorhanden)
↑
6.) Tabakpflanzerverband: Werbeverbot senkt Tabakkonsum
Der Verband der Cigarettenindustrie und seine Mitglieder
halten nach außen das von den EU-Gesundheitsministern
beschlossene und vom EU-Parlament bestätigte Werbeverbot
für Tabakwaren (eigentlich nur eine Werbebeschränkung,
da weiterhin dort, wo nur Raucher hinkommen, nämlich in
Tabakverkaufsläden, geworben werden darf) für
wirkungslos. Es hätte auf den Gesamtkonsum keine oder keine
nennenswerten Einfluss.
Doch wie die Manager wirklich denken, zeigt die Einschätzung
des Vorsitzenden des Bundesverbandes deutscher Tabakpflanzer,
Hermann Pfanger, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
(FAZ) vom 12. Dezember 1997. Danach treffe das Werbeverbot die
rund 2.400 Betriebe nicht direkt, doch mittelfristig werde sich das
Verbot auch auf den Tabakanbau auswirken, denn es sei zu erwarten,
dass die deutsche Industrie vorsorglich weniger Tabak
bestellen werde.
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7.) Krebshilfe kämpft weiter für Verbot der Tabakwerbung
Regierung soll Klage gegen EU-Richtlinie zurückziehen
BONN (AP). Die Deutsche Krebshilfe hat die Bundesregierung eindringlich
aufgefordert, ihre Klage gegen die EU-Richtlinie zum Verbot der
Tabakwerbung zurückzuziehen. "Bedenken Sie, dass das Rauchen zu
den wichtigsten Risikofaktoren für Krebserkrankungen zählt,"
hieß es in einem Dienstag veröffentlichten Appell des
Medizinischen Beirats der Bonner Organisation an Bundeskanzler Gerhard
Schröder. Im neuen Jahrtausend müsse Europa endlich frei von
Tabakwerbung sein, um insbesondere Kinder und Jugendliche vor der
Verführung zum Rauchen zu schützen.
Das Europäische Parlament hatte 1998 eine Richtlinie zum Verbot der
Werbung für Zigaretten und andere Tabakwaren beschlossen, die am 30.
Juli 2001 in Kraft treten soll. Die Bundesregierung hat dagegen Einspruch
beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingelegt. Der
Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft hat den Kanzler erst dieser
Tage wieder aufgefordert, die "Arbeitsplätze gefährdenden
Beschlüsse" der EU-Kommission zu bekämpfen und die
"Hexenjagd" auf die Werbung der Tabakindustrie zu bremsen. Statt
Verboten sollte freiwilligen Beschränkungen der Vorzug gegeben
werden.
Die Deutsche Krebshilfe unterstrich, dass mindestens 30 Prozent aller
Krebstodesfälle auf das Rauchen zurückzuführen seien und
pro Jahr mehr als 100.000 Deutsche an den Folgen ihres Tabakkonsums
verstürben. Vor diesem Hintergrund könne es "nicht angehen,
dass unsere eigene Regierung die Bemühungen anerkannter
Wissenschaftler konterkariert" und als einziges europäisches Land
noch gegen die EU-Richtlinie kämpfe. Gelobt wurde das Beispiel
Großbritanniens: Dort wurde zum 10. Dezember 1999 jedwede Werbung
für Tabakprodukte verboten.
Gießener Anzeiger vom 28.12.1999
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